• „Aus einer Hinterhof-Bruchbude im Stuttgarter Süden
    hat die Architektin Tina Kammer ein stilvolles Stadthaus gemacht.“

    Amber Sayah, Stuttgarter Zeitung

Auszeichnung „Beispielhaftes Bauen“

Begründung der Jury

„Unter extrem schwierigen Bedingungen hat eine unter Bestandsschutz stehende Ruine einer Schlosserei im Stuttgarter Lehenviertel ein zweites Leben als modernes Wohnatelier erhalten. In enger und vertrauensvoller Kooperation zwischen Bauherr und Architektin ist dabei eine sensible Gratwanderung zwischen Alt und Neu gelungen. Das Ergebnis: ein loftartiges Gebäude mit starker Atmosphäre, das sich durch die ausschließliche Verwendung von natürlichen und regionalen Baustoffen und die liebevolle Sorgfalt im Umgang mit Details auszeichnet. Das Objekt demonstriert zudem vorbildlich, wie Flächenpotenziale von Hinterhöfen im Sinne der Nachverdichtung nutzbar gemacht werden können.“

Die Schlosserei im dichtbesiedelten Stuttgarter Süden wurde ca. 1904 erbaut. Die fast gänzlich verfallene und unter Bestandsschutz stehende Ruine wurde mittels Zwischenbau mit dem dahinter liegenden unteren Geschoss eines Mehrfamilienhauses verbunden. Die anspruchsvolle Transformation des historischen Bestands zu einer modernen Wohneinheit erfolgte unter Einsatz lokaler und natürlicher Materialien, die für ein gesundes Raumklima sorgen. Der individuelle Charakter der einzelnen Bereiche wurde neu interpretiert und somit der historische Charme in die Neuzeit transferiert.

Die Rettung macht erst sichtbar, was verloren gegangen wäre

„Das Konzept – Wiederherstellung und Neuinterpretation – inszeniert die einzelnen Bauteilein
einer fast schon an eine Collage denken lassenden Weise. Gezielt wurde dabei darauf
geachtet, die Spuren der Vergangenheit sichtbarzu lassen oder sie als solche zu betonen.“

Christian Holl, Magazin Marlows

Design Konzept

Die architektonische Konzeption geht zwei Aspekten nach: Erhalt der historischer Bausubstanz und gleichzeitige Neuinterpretation des Werkstattcharakters. Die Verschmelzung von alt und neu spiegelt die Vergangenheit der Gebäude wider und kommt durch die geschickte Verwendung natürlicher Materialien sowie restaurierter Elemente in der Gegenwart an. Das Ziel war es eine individuelle Wohlfühloase im urbanen Kontext zu erschaffen.

Umsetzung

Im Zuge der umfangreichen Umbaumaßnahmen wird das Werkstattgebäude mit dem dahinterliegenden Gebäude durch einen Zwischenbau verbunden.

Das Werkstattgebäude war zu Projektbeginn in einem sehr schlechten Zustand: das Dach war schon vor Jahren eingestürzt, die drei verbleibenden Wände gegen Einsturz gestützt. Aufgrund baurechtlicher Vorgaben konnte die Backsteinfassade weder neu errichtet noch eine innenliegende Gebäudekonstruktion implementiert werden. Die Rohbauphase erforderte einen sensiblen Umgang mit dem Bestand, da die Gefahr des Einsturzes und damit der Verlust der Baugenehmigung drohten.

Zwei Oberlichter aus massiver Eiche von 2 x 4 m Größe wurden in Anlehnung an die ehemalige Substanz in das neue Dach integriert. Die schnörkellose Gestaltung wurde mit reduzierten, hochwertigen Materialien realisiert. Durch den eingesetzten, natürlichen Lehmputz erhält der Raum eine fühlbar angenehme Atmosphäre und gute Raumluft. Der neue Anbau verbindet das Werkstattgebäude mit dem Hinterhaus und wird zur Eingangszone.

Der Grundriss des Hinterhauses konnte aus statischen Gründen nicht adaptiert werden. Hier wurden alle Wände vom Putz befreit und die original Backsteinwände sichtbar, deren Imperfektion wurde ohne Schönheitskorrekturen belassen. Den historischen Raumstrukturen wurde dadurch eine identitätsstiftende Verwandlung zuteil. Natürlicher Linoleumboden und weiß gekalkter Lehmputz verleihen diesem Teil des Ensembles seine eigene Atmosphäre.

Dabei erhielten die beiden Bereiche von ehemaliger Ruine und Hinterhaus eigene Neuinterpretationen. So wurde die Ruine durch reduzierten Einsatz hochwertiger Materialien schnörkellos ruhig umgesetzt. Die ruhige, schlichte Atmosphäre bestimmt den Raum. Im Hinterhaus hingegen wurde durch das Freilegen der Wände der rohe, raue Charakter lebendig für die neue Nutzung inszeniert.

Verwendete Materialien

Bei der Auswahl aller Materialien lag der Fokus auf Nachhaltigkeit. Natürliche Materialien wie Lehm, Kalkputz und -farbe, Holzfaserdämmung und Linoleum wurden verwendet, um ein gesundes Innenraumklima zu garantieren. Douglasie aus nachhaltiger Forstwirtschaft wurde in der Küche für das Podest und Küchenarbeitsplatten eingesetzt. Die Fensterrahmen aus massiver, geölter Eiche wurden individuell von einem lokalen Handwerksbetrieb gefertigt. Historische Türelemente wurden liebevoll restauriert und an neuen Bestimmungsorten wieder eingesetzt.

Ergänzend dazu wurden bewusst auf Produkte aus deutscher Herstellung ausgewählt. Hochwertige Armaturen, alle Griffe sowie die Schalter und Steckdosen stammen alle von Traditionsunternehmen, die sowohl bei den Produktionsabläufen als auch bei den Materialien großen Wert auf umweltfreundliche, nachhaltige Aspekte legen.

Veröffentlichungen

 
 

Hersteller

Lehmputz: CLAYTEC e. K. | Verarbeiter fratax GmbH
Fenstergriffe, Türgriffe: FSB | Franz Schneider Brakel GmbH & Co.
Armaturen: Dornbracht | Aloys F. Dornbracht GmbH & Co. KG
Douglasie Holz: purnatur | pur natur Holzprodukte Ruthard Männle e. K.
Linoleum: Marmoleum Concrete| Forbo Flooring GmbH

Danke an Stefanie Larson von finecraft für die guten Produktvorschläge Fliesen, Badkeramik und Wandleuchten

Fotos © Andreas Körner, bildhübsche fotografie